Brigitta Buomberger – Mein Weg zur zertifizierten Soziokratie-Expertin / Beraterin

Als ich 2017 das Modul 1 besuchte, hatte ich keinerlei Absicht, den Weg bis zur Zertifizierung als Soziokratie Expertin / Beraterin zu gehen. Die Faszination für die Möglichkeiten, welche die Konsentmoderation bietet, genügte mir vorerst. Erst ein Jahr später meldete ich mich für das Modul 2 an und kurz darauf für die Lernkreise für Gesprächsleitung / Moderation. In unserem Lernkreis war ein Teilnehmer, der mitteilte, dass er zertifizierter Soziokratie Experte werden möchte und der sich bereits für alle Module angemeldet hatte. Ich staunte über so viel Klarheit und Zielstrebigkeit. Er berichtete ebenso von seinen Erfahrungen, die er als externer Moderator bei einem Kunden gemacht hatte. Zu diesem Zeitpunkt, also 2018, konnte ich mir überhaupt noch nicht vorstellen ausserhalb meines vertrauten Arbeitsortes zu moderieren.

Die Aussicht auf die Implementierung in die Gesamtorganisation meines Arbeitgebers motivierte mich, die Ausbildungsmöglichkeit zur CSE konkret zu überprüfen. Die Module 3-7 schienen mir nicht allzu zeitintensiv und gut mit meiner Anstellung vereinbar. Ich besuchte das Modul 3 und wurde interne Soziokratie Trainerin und diplomierte Moderatorin. Mein Vorteil und meine Freude waren, dass ich alles Erlernte direkt in meinen beruflichen Alltag integrieren konnte, da ich inzwischen in meiner Organisation die Soziokratie weitgehendst eigenständig implementierte.

Aufgrund einer lebensbedrohenden Erkrankung eines Familienmitgliedes war ich nicht in der Lage, das geplante Modul 4 zu besuchen. Im Austausch mit zwei Kolleginnen der int. Trainerinnen Ausbildung kam der Gedanke auf, das Modul 4 gemeinsam zu einem späteren Zeitpunkt zu besuchen. Barbara Strauch anerbot sich, ein Modul 4 für uns drei Menschen durchzuführen. Unglaublich, dieses Entgegenkommen! So erlebten wir im Sommer 2019 drei äusserst intensive und humorvolle Modultage im schönen Appenzeller Vorderland: mein Zuhause als Kursort war eine neue Erfahrung. Ganz besonders war, dass wir jeweils durch unseren Permakulturgarten spazierten und die Zutaten für die gemeinsam zubereiteten Essen aussuchten und ernteten.

Die Zeit zwischen den Modulen 4 bis 7 wurde lebendig gehalten durch die Peer-Gruppen Treffen und die Supervisionstage. Als wir während eines Moduls – ohne Mitbestimmungsmöglichkeit – in Peer-Gruppen eingeteilt wurden, war der Widerstand gegen die Einteilung gross. Den Wert der Peergruppe und auch deren Zusammensetzung eröffnete sich mir erst nach und nach. Es galt einige technischen Hürden zu nehmen, bis wir uns online und als soziokratischen Kreis eingerichtet hatten. Den Austausch und die fachliche Unterstützung, insbesondere mit der Erfolgsteam Methode, wandten wir regelmässig und mit vielen Lernerfahrungen an. Wir wuchsen zu einer kleinen Gemeinschaft zusammen, bei der unsere Diversität den speziellen Reiz ausmacht.

Im 2020 trat ich im Soziokratie Zentrum Schweiz bei, um meine Begeisterung und mein Engagement für die Soziokratie mit anderen gleichgesinnten Menschen zu teilen und gegen aussen sichtbar werden zu lassen.

Die grosse Herausforderung auf meinem Weg zur Zertifizierung begann mit der Suche nach einem weiteren Implementierungsprojekt. Ich hatte mir den Rat von Barbara Strauch zu Herzen genommen und erzählte möglichst vielen Menschen von den Möglichkeiten der Soziokratie. Das waren Nachbarn, dem Physiotherapeuten während einer Behandlung, in der Familie sowieso, im Netzwerk der Ergotherapeut:innen, bei Erfa-Treffen von Institutionsleitungen und so fort. Dennoch verdankte ich es schlussendlich Suzanne Käser, die mir die Möglichkeit und Chance gab, bei einem Implementierungsprojekt zu lernen und zunehmend Verantwortung für den Beratungs- und Transformationsprozess zu übernehmen.

Das bedeutete auch mein Anstellungspensum zu reduzieren, um für das Implementierungsprojekt Zeitressourcen zu haben. Es bedeutete auch sehr viele Arbeitsstunden an den Wochenenden und Abenden um vor- und nach zubereiten, Flipcharts zu schreiben und zu dokumentieren.

Mit den Erfahrungen des zweiten Implementierungsprojektes festigte sich meine Zuversicht, in Zukunft als Soziokratie Beraterin tätig zu sein. Zusammen mit meinem Mann suchten und fanden wir einen Namen für die künftige Firma. Gegen Ende 2020 war es soweit und ich gründete eine GmbH. Beim Handelsregistereintrag sagte mir der Herr vom Amt, dass er sehr viele Firmengründungen in der Beratungsbranche erlebe und bei einigen so seine Zweifel habe, aber bei mir sei er sicher, dass ich erfolgreich sein werde. Ich verließ das Amt sehr beschwingt.
Die Weihnachts-/Neujahrstage nutzte ich um eine Homepage zu gestalten. Über familiäre Beziehungen nahm ich Kontakt mit einer Grafikerin auf. Ich hatte ein klares inneres Bild, über das was mir wichtig ist. Es sollte einen Kreis, zumindest andeutungsweise, enthalten und eine Transformation sichtbar sein. Innerhalb kurzer Zeit entwickelten wir so mein Firmenlogo.

Im Sommer 2021 beschloss ich, die Weiterbildung noch in diesem Jahr offiziell abzuschließen. Ich investierte wiederum viele Stunden für das Schreiben eines Entwurfes des Zertifizierungsberichts. Suzanne Käser hatte mich mehrmals ermahnt, meine Erfahrungen mit der Soziokratie jeweils schriftlich festzuhalten, was mir beim Schreiben des Berichtes zugutekam.

Gross war meine Neugierde auf die Rückmeldungen von Barbara Strauch zu meinem Bericht. Beim Lesen der vielen Bemerkungen, Anregungen und Fragen von Barbara geriet ich ins Staunen. Ich realisierte, dass sie sich intensiv und aufmerksam, bestimmt über mehrere Stunden, mit meinem Bericht auseinandergesetzt und alle Ungereimtheiten entdeckt hatte. Ich empfand das als grosse Wertschätzung und Chance, noch einmal dazu zu lernen.
Dieselbe Wertschätzung durfte ich in meinem Zertifizierungs- und Entwicklungsgesprächs erfahren. Nach jahrzehntelanger beruflicher Tätigkeit erlebte ich zum ersten Mal, dass sich Menschen Zeit genommen haben, mir sehr differenzierte Rückmeldungen über meine geleistete Arbeit und meine persönliche Entwicklung zu geben. Ein berührendes Erlebnis.

Rückblickend kann ich sagen, dass der Weg zur Certified Sociocracy Expert sehr intensiv war. Einiges habe ich mir selbst erarbeitet und war oft alleine unterwegs; schlussendlich jedoch war der Weg eine Gemeinschaftswanderung. Dank der Unterstützung und dem grossen Engagement von der österreichischen Pionierin Barbara Strauch und der schweizerischen Pionierin Suzanne Käser und in der Verbundenheit mit vielen weiteren Menschen aus dem beruflichen und persönlichen Umfeld kann ich in Dankbarkeit auf die gemachten Erfahrungen zurückblicken und gestärkt und freudig auf dem weiteren Weg unterwegs sein.

Dezember 2021 / Brigitta Buomberger