Geschichte
Vor Endenburg
Das Wort Soziokratie wurde von Auguste Comte (1798-1857), dem französischen Philosophen, der auch als Begründer der Soziologie als Wissenschaft gilt, am Beginn des 19. Jahrhunderts geprägt. Comte ging es darum, die Regeln eines sozialen Miteinanders aller Mitglieder einer Gruppe nach wissenschaftlichen Grundsätzen zu beschreiben. In den 1920er Jahren proklamierte der holländische Friedensaktivist, Kees Boeke (1884-1966), das Wort Soziokratie und fing 1926 an, die gemeinsame Beschlussfassung nach soziokratischen Prinzipien, in der von ihm gegründeten Schule, anzuwenden.
1950 – 1979
Gerard Endenburg (1933-2025) besuchte die Boeke Schule von 1938-1946 und arbeitete dann als anwendender Kybernetiker in der Gestaltung von Elektronik-Anlagen (einige der Schaltungen werden noch heute in Kopfhörern verwendet). In den frühen 1970er Jahren übernahm er die Produktionsfirma seiner Familie, Endenburg Electrotechniek. Nachdem er die Probleme der traditionellen Managementansätze erlebt hatte, begann Gerard, um konstruktiv mit seinem Team zu arbeiten, einen neuen Ansatz zu entwickeln – die Kombination der Boeke-Version von Soziokratie mit seiner Ausbildung in der Kybernetik. Das Ergebnis war ein neues System für Management und Führung.
1980 – 1999
Gerard Endenburg gründete 1978 das Sociocratisch Centrum in Rotterdam, ein niederländisches Beratungsunternehmen, mit dem Ziel, die Soziokratie zu verbreiten, das Kern-System weiter zu entwickeln und Best-Practice-Forschung zu betreiben. Annewiek Reijmer kam dazu um das Zentrum zu verstärken. In den 1980er und 1990er Jahren haben hunderte Organisationen in den Niederlanden und in der ganzen Welt die Soziokratie eingeführt. John Buck verbreitete die Methode ab 1988 im englischen, und Gilles Charest ab 1986 im französischen Sprachraum. Gegen Ende der 1990er Jahre wurden die ersten nicht-niederländischen Soziokratie-Berater:innen zertifiziert.
2000 – 2010
Ab 2000 haben die führenden kanadischen und US-amerikanischen Berater neue Soziokratie Zentren ins Leben gerufen und ihre persönlichen Beratungsfirmen in einer globalen Soziokratie-Gruppe miteinander verbunden. Bücher über Soziokratie wurden in Holländisch, Englisch und Französisch veröffentlicht. Eine globale Bewegung der Soziokratie Nutzer:innen entstand, selbstorganisierte Netzwerke starteten in Großbritannien und Frankreich. Ehemalige Kund:innen der Soziokratie-Gruppe gegründeten spinn-off Versionen von Soziokratie, wie zB. Holacracy und TSCG.
Heute
Seit 2010 hat sich die Soziokratie unter einer Vielzahl von Markennamen immer schneller verbreitet, z.B. als “Dynamic Governance”, “Circle Forward” oder “SKM – Soziokratische Kreisorganisations Methode”. Soziokratie ist zum Standard für Entscheidungsstrukturen in Cohousing-Projekten in USA, Kanada und Frankreich geworden, seit 2011 auch in Österreich, wo es inzwischen ca. 150 soziokratisch organisierte Wohnprojekte gibt. Moderator:innen und Berater:innen haben auf der Suche nach effektiven Entscheidungsmethoden, die kompatibel mit ihren Disziplinen sind, begonnen, die Soziokratie als Entscheidungsmethode in ihr Portfolio aufzunehmen und zu verbreiten.
Im mitteleuropäischen Raum hält die Soziokratie Einzug in Schulen, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, bei großen NGOs wie Südwind und Armutskonferenz, im Nachhaltigkeitsbereich, in FHs und Universitäten, in die Gemeindepolitik und auch in Profit-Unternehmen. Laufend entstehen neue Soziokratie Zentren als Bildungseinrichtungen in ganz Europa und weltweit. Z.B. in Deutschland, der Schweiz, Österreich, Griechenland Spanien, Litauen, England, Frankreich, Dänemark und Schweden. Durch die zunehmende Anwendung der Soziokratie in EU-Projekten wird das Wissen über partizipatives Management in alle EU-Länder getragen und hat darüber hinaus auch schon Ägypten, Brasilien und Australien erreicht. Der Verband deutschsprachiger Soziokratie Zentren war auch 2018 bei der Gründung von ISCB – International Sociocracy Certification Board, und 2023 bei der Gründung von INoSC – International Network of Sociocracy Centers beteiligt.

